DB-60 (22) (Beate stimmt ein)
Götz schließt sich ihrem Gelächter solidarisch an, klopft ihr zur Beruhigung auf den Rücken, bis sie nicht mehr hustet. Dafür springen ihr die Tränen aus den Augen. Sie lächelt und wünscht sich ihre Schwester herbei, zur allgemeinen Verwirrung, und zwar sofort.
Und Julia präsentiert sich wirklich, in einem rot-schwarz geflammten Kleid. Stolz, der sich als Menschlichkeit zeigt, setzt sie Beates Satz fort mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre sie keine Erscheinung, die dem zunehmenden gemeinsamen Rausch entsprungen ist.
Sie trägt eine Kristallschale, auf der ihr Kopf liegt, dessen Haare zu Boden strömend die Faust verbergen, die den Stengel der Schale umklammert hält. Julias Kopf als Geschenk an alle.
Die fliegende Zeit, dröhnt er, fegt und reißt allen Ballast weg, der schwer ist vom alten Plunder und ausgehöhlt vom Unglauben.
Das wars, sagt Götz, nachdem alle einen Augenblick an sich, ihrer Zukunft, ihrer Wahrnehmungsfähigkeit gezweifelt haben. Wir schaffen es auch mit allen möglichen psychologischen Tricks nicht, Zeiten, Menschen und Räume zu versetzen. Um sich auszunüchtern, bedarf es keines Traums; man muß nur an den nächsten Tag denken.
Trotzdem steigt Julia, diesmal mit dem Kopf an der richtigen Stelle, auf den Tisch, läßt die Lampe gegen die Decke schnellen und redet Wirres über Fabriken, die regenbogenhaft glänzen, über den lebendigen, wirklichen, wahrhaften Sozialismus. Aber auch diese Julia schrumpft schnell in den Mund ihrer Schwester zurück, die Stefan nie anrühren würde.
(Die Berliner Entscheidung, Residenz Verlag, 1984)
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